Im Landesarchiv Berlin.
Im Rahmen des 10. Europäischer Monats der Fotografie 2023.

Die Schülerinnen Rosemarie Badaczewski (links) und Kriemhild Meyer (rechts) an der Grenzmauer in der Harzer Straße, Ecke Mengerzeile (Berlin-Neukölln)
Die Schülerinnen Rosemarie Badaczewski (links) und Kriemhild Meyer (rechts) an der Grenzmauer in der Harzer Straße, Ecke Mengerzeile (Berlin-Neukölln), 23. August 1961, Fotograf: Horst Siegmann, Landesarchiv Berlin, F Rep. 290 Nr. 0076482

Wie kaum ein anderes Berliner Bauwerk symbolisiert die Mauer erzwungene Distanz zwischen den Menschen, aber auch den Willen zur Überwindung dieser Distanz. Sie ist Ausdruck eines Systems des Abstand- und Fernhaltens schlechthin, subtil ausgebaut, über Jahrzehnte perfektioniert, um zu trennen oder Nähe wenigstens zu erschweren.

Auf der einen Seite der Mauer entstehen Wachtürme, jenseits davon Aussichtsplattformen. Berührung reduziert sich auf den Blick, der Nähe schafft oder Abstand hält. Die Kameralinse hält sie fest, diese Blicke direkt auf die Grenze, entlang der Mauer oder über sie hinweg.

Anlässlich des 10. Europäischen Monats der Fotografie präsentiert die Ausstellung „So nah und doch so fern“ Aufnahmen aus der Fotosammlung des Landesarchivs, die im Auftrag der ehemaligen Landesbildstelle Berlin entstanden sind. Die Fotografien, die die Teilung der Stadt über Jahrzehnte hinweg in Schwarz-Weiß dokumentieren, geben Einblicke in die Chronologie der Ereignisse vom Mauerbau bis zum Mauerfall. Sie zeigen eindringlich, wie rigoros und teilweise absurd die Grenzanlagen Häuser und Straßen baulich zerschnitten. Sie ermöglichen gleichzeitig ganz unterschiedliche Blicke und Perspektiven auf das Leben der Menschen, die eben noch vereint, plötzlich zu Gegenüberstehenden werden.

Generationen von Fotograf:innen haben die Kamera auf die Mauer gerichtet. Ihre Aufnahmen zeigen bekannte Motive und ungewohnte Perspektiven, die berühren: staatstragende Momente an der Mauer und intime Alltagsszenen, Menschenmengen in Bewegung oder die kahle Leere des Grenzstreifens. Was hier im Mittelpunkt steht sind die Menschen. Die Bilder halten die Traurigkeit und Fassungslosigkeit in den Gesichtern fest wie auch die allmähliche Gewöhnung an das Ungewöhnliche. Fotografierende sind dabei nicht nur Zeug:innen; sie stellen einen Kontakt her zu den Menschen vor der Linse, sobald diese die Kamera wahrgenommen haben. Sie rufen Reaktionen hervor, schaffen eine Beziehung oder provozieren Distanz. Der Blick durch die Kamera bringt uns Betrachtende unterschiedlich nah ans Geschehen, bleibt aber – im Auftrag der West-Berliner Landesbildstelle – von West nach Ost gerichtet und damit bis zum Fall der Mauer selbst begrenzt.

Flyer zur Ausstellung

Führungen durch die Ausstellung finden an folgenden Terminen statt:


Mittwoch, 19. April 2023 und Mittwoch, 17. Mai 2023.
Der Treffpunkt ist jeweils um16:00 Uhr im Foyer des Landesarchivs Berlin.
Bitte melden Sie sich für die Führung an:
E-Mail: info@landesarchiv.berlin.de oderTelefon: 030/90264-0


Einführung in die Fotoausstellung „So nah und doch so fern“ durch Prof. Dr. Uwe Schaper, Direktor des Landesarchivs Berlin


Zum Vergrößern Fotografien bitte anklicken


Hintergrundinformationen


Mauerbau

Am 13. August 1961 begannen unter der Aufsicht der Nationalen Volksarmee, der Volkspolizei und Betriebskampfgruppen die Bauarbeiten einer Sperranlage, die Berlin mehr als 28 Jahre in zwei Stadthälften teilen sollte. Die Mauer isolierte die westlichen Sektoren von Ost-Berlin und versperrte den Zugang zu den Brandenburger Vororten und unterband damit auch die zunehmende Abwanderung aus der DDR nach West-Berlin. Straßen wurden abgesperrt, U-Bahnhöfe und Fensterfronten zugemauert, Stacheldraht durch Straßen und über Dächer gezogen und so genannte Spanische Reiter errichtet. Nach und nach wurde das rund 155 Kilometer lange Bollwerk zwischen West-Berlin und der DDR zu einem Grenzregime mit Beobachtungstürmen, Kontaktzäunen und Schützenstellungen ausgebaut. Wer der Grenze zu nahe kam, war in Lebensgefahr. Kontakt wurde politisch, Berührung potentiell tödlich. Mindestens 140 Menschen wurden an der Berliner Mauer getötet oder kamen ums Leben.
Das Grenzgebiet unterlag restriktiven rechtlichen Bestimmungen und durfte von Anwohner:innen nur mit besonderen Genehmigungen und Kontrollen betreten werden. Die Mauer zerteilte eine pulsierende Metropole in zwei Hälften. Bis dahin passierten täglich hunderttausende Menschen aus Berlin oder dem Brandenburger Umland die Sektorengrenzen, um in der anderen Stadthälfte zu arbeiten, einzukaufen, sich zu amüsieren oder Freund:innen und Verwandte zu besuchen, sich zu begegnen. Wo jahrelang über Schilder zumindest noch hinweggesehen und Zonengrenzen passiert werden konnten und Kinderfeste mitten auf der Grenze gefeiert wurden, schuf die Mauer ab August 1961 unüberwindbare Tatsachen. Von einem Tag auf den anderen trennte sie ganze Familien, Liebespaare, Freundschaften.


Mauerfall

Als Günter Schabowski, Sekretär für Informationswesen des Zentralkomitees und Mitglied des Politbüros, während einer Pressekonferenz am 9. November 1989 auf die Frage eines Journalisten eher beiläufig über die vom DDR-Ministerrat beschlossene neue Reiseregelung berichtete, ahnte vermutlich niemand, dass die jahrzehntelange Teilung Deutschlands und die Mauer bald Geschichte sein würden.
Bereits in den Abendstunden und der Nacht des 9. auf den 10. November nutzten Menschen aus Ost-Berlin die unvorhergesehene Möglichkeit, über die innerstädtischen Grenzübergänge nach West-Berlin zu kommen. Die Grenzöffnung war vom DDR-Politbüro und vom Ministerrat in dieser Form weder geplant noch vorbereitet. Nach der Meldung über die „unverzüglich geltende“ Reisefreiheit strömten immer mehr Menschen in Ost-Berlin zu den Grenzübergängen, denen man zum ersten Mal ohne Gefahr nahekommen konnte.
Am 22. Dezember 1989 eröffnete eine Delegation der Bundesregierung und des West-Berliner Senats unter dem Beifall zehntausender Berliner:innen einen neuen Grenzübergang am Brandenburger Tor. Der dortige Mauerabschnitt war besonders beliebt bei Souvenirjäger:innen, die Stücke des Bauwerks herausbrachen und mitnahmen.
Während Politiker:innen in beiden deutschen Staaten die Weichen für eine mögliche Wiedervereinigung stellten, verlor die innerdeutsche Grenze rasch an Bedeutung. Am 26. Juni 1990 erfolgte die Einstellung aller Grenzkontrollen und zwei Wochen vor der Deutschen Einheit wurden im September 1990 die DDR-Grenztruppen aufgelöst. Schon seit Sommer 1990 hatte der planmäßige Abriss der Mauer an der Bernauer Straße begonnen.
Die Aufnahmen dieser Ereignisse gehören inzwischen zu den ikonischen Fotografien der Geschichte Berlins, und doch zählen die Bilder bewegter und euphorischer Menschen im November 1989 auch 33 Jahre nach der Wiedervereinigung zu den berührenden Motiven des Mauerfalls.